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Regulierung der App Stores: 10 aktuelle Forderungen

Ich bin sicher kein Mensch, der ständig nach Gesetzen verlangt, aber eine Regulierung der App Stores ist längst überfällig. Die so genannten Multiplayer-Online-Strategiespiele ziehen ihren Spielern zunehmend mit unlauteren Methoden das Geld aus der Tasche und verhindern mit ihrer puren Finanzkraft, dass Apps unabhängiger Entwickler noch entwickelt und später von Nutzern geladen werden.

Beispiele aus diesem Spiel-Genre sind: Game of War, Mobile Strike, Clash of Clans, Clash of Kings, War Ages, Empire: Four Kingdoms, Heroes Charge, Castle Clash, Invasion, King’s Empire, Vikings: War of Clans

Sie können die gesamte Klaviatur des App-Marketings mit einer solchen Macht spielen, dass sie dauerhaft die begehrten Plätze in den App Store Charts belegen. Andere Apps sind dadurch kaum noch sichtbar oder benötigen sechsstellige Etats, um sich auch einmal auf die vorderen Chartplätze der meisten Downloads hochzuarbeiten.

Die Herausgeber der „Strategiespiele“ investieren sehr viel in die Vermarktung ihrer Titel und scheuen auch vor aufwändig produzierten Werbespots nicht zurück, die allerdings mit dem Spielerlebnis selbst nicht viel Übereinstimmung zeigen. Wie das Marketing funktioniert, erkläre ich etwas weiter unten.

Ich habe den Begriff „Strategiespiele“ ganz bewusst in Anführungsstriche gesetzt, denn mit Strategie haben diese Spiele weit weniger zu tun, als uns die Herausgeber glauben lassen wollen. Tatsächlich ist der Weg des Spielers sehr reglementiert und er kann gerade nicht durch strategische Entscheidungen einen Vorteil erringen. Im Bereich Taktik geht das im beschränkten Maße, aber strategische Vorteile gibt es nicht, dazu ist der zu beschreitende Weg des Aufbaus zu eng ausgelegt.

 

Unter den 50 umsatzstärksten Apps im gesamten iTunes App Store befinden sich allein 15 Online-Multiplayer-Strategiespiele. Die umsatzstärksten Apps sind die, wo die Spieler am häufigsten mit In-App-Käufen vermeintliche Vorteile im Spiel mit echtem Geld einmal oder mehrfach zukaufen. Eine Regulierung der App Stores könnte dieses Bild verändern.

Wer ein solches Spiel spielt und an seinem Dorf, an seiner Festung oder seinem Lager hängt und mit zwei Fingertipps mal eben 99 Euro ausgeben kann und diesen Kauf auch noch mehrfach wiederholen darf, ist extrem gefährdet. Diese Spiele machen tatsächlich süchtig und treiben die Nutzer eventuell sogar in den Ruin oder in Beschaffungskriminalität.

Tatsächlich ist es so, dass diese Spiele ihre Nutzer völlig vereinnahmen, indem sie im Minutentakt rund um die Uhr Nachrichten schicken, die Spieler mit zahlreichen „Events“ auf Trab halten und neben dem Aufbau von Gebäuden, Truppen, Verteidigungsanlagen, dem Sammeln der dafür notwendigen Rohstoffe eine immerwährende Gefährdungssituation schaffen, die manchen Spieler um den Schlaf bringt.

Das Spiel Mobile Strike hat sogar einen Weg gefunden, die „Nicht stören“-Einstellung auf Apple-Geräten zu umgehen und trötet so auch nachts ihre Mitteilungen auf die Geräte. Negative Gefühle verursachende Geräusche lassen so manchen Spieler auch nachts zum Gerät greifen.

Durch Ungleichgewichte, die ganz bewusst in die Spiele hineinprogrammiert wurden, können größere Spieler ohne jedes Risiko die kleinen bis mittleren Spieler angreifen. Sie verlieren dabei nur unter 1 Prozent der Truppen, die der angegriffene Spieler verliert. Dieser hat nach einem Angriff Wochen damit zu tun, die verletzten oder getöteten Truppen zu heilen oder wieder neu auszuheben. Das kostet sehr viel Rohstoffe und viel Geduld.

Und es tut einigen tatsächlich schon körperlich weh, wenn ihre Basis angegriffen und zerstört wird. Das liegt an der Bindung, die durch monatelanges Aufbauen entsteht. Man kann sich schützen, aber der Schutz kostet Geld – und wenn der Spieleherausgeber einfach mal den Rhythmus, also die Abfolge der Events ändert, dann trifft es auch den vorsichtigsten Spieler.

Die Herausgeber wissen, dass sie mit dieser Art Spiel einige Nutzer unterwegs verlieren werden, nämlich die, die die Systematik durchschauen, die sich nicht vereinnahmen lassen wollen oder durch ihren Beruf nicht in der Lage sind, die hohen zeitlichen Anforderungen des Spieles zu erfüllen.

Erfahrungen als „Kundendienst“

Ich schreibe das, weil ich die zweifelhafte Ehre habe, von manchen Spielern als Kundendienst des Clash of Clans- und Hayday-Entwicklers Supercell angesehen zu werden. Bei mir rufen Leute an, die verzweifelt sind und Hilfe brauchen.

Da gibt es Geschichten, die würde keiner glauben, wenn ich sie hier schriebe.

Nur zwei, drei Beispiele:

Viele Nutzer berichten zudem, dass Sie bei Problemen mit den Spielen keinerlei Kundenservice bekommen. Mails bleiben unbeantwortet oder werden nur mit Standardmails, die nicht auf die Fragestellungen eingehen, beantwortet. Dem Spieler wird nach meiner Einschätzung in 95% der Anfragen nicht geholfen. Das betrifft auch die zahlenden Spieler.

Die chinesischen App-Publisher sind besonders schlimm. Sie klauen erst die Spielinhalte erfolgreicher Titel, wie Game of War (dafür habe ich sogar Beweise), bringen dann schnell zusammengeschusterte Kopien erfolgreicher Spiele heraus, die voller Fehler sind. Es wird viel probiert, vieles funktioniert nicht, bei den Servern wird so sehr gespart, dass diese immer wieder ausfallen und die Spieler sich nicht einloggen können.

Wenn ein zahlender Spieler sich an den Kundendienst wendet, oder auf der im Spiel stark beworbenen facebook-Seite ein Problem meldet, wird darauf meist nicht reagiert oder wenn, dann mit unpassenden Antworten oder einmal entworfenen Standardantworten. Mir liegen zahlreiche Meldungen zahlender Spieler vor, die keine Antwort auf ihre Fragen oder Beschwerden erhalten haben.

Kundendienst ist personalintensiv und damit auch teuer. Die App-Herausgeber verwahren nach dem Motto: Den Kunden melken, bis er aufgibt. Rechte hat er nicht. So sind die Server bei den chinesischen Anbietern auch voll mit verlassenen Basen oder Burgen von Spielern, die den Absprung geschafft haben.

Gerne überlässt man auch den Spielern selbst den Kundendienst und die Qualitätskontrolle. Bei einigen chinesischen Spielen konnte man sich als Spieler für eine Mentoren-Position oder Tutoren-Position bewerben. Mit der für den Spieleherausgeber kostenlosen  Spielwährung bezahlt, sollten diese Spieler dann Aufgaben im Kundendienst übernehmen und wurden verpflichtet, auf Anfragen auf facebook oder im Spieleforum zu antworten. Auch hier nehmen es die Chinesen nicht so genau, so erzählte mir ein solcher „Mitarbeiter“, dass er nicht einmal die vereinbarte Bezahlung in Spielwährung erhalten habe.

Das Marketing als funktionierender Geldmultiplikator

Die Herausgeber der Online-Multiplayer-Strategiespiele investieren viel  in Marketing, bei dem sie idealerweise einen Euro bis 1,50 Euro pro neuem Spieler zahlen.

Das geht immer auf, denn 10 – 15 Prozent der neu gewonnenen Spieler werden zu zahlenden Spielern und lassen, so lange sie aktiv spielen, im Schnitt mittlerweile über 30 Euro im Spiel. Der investierte Euro pro neuem Spieler bringt also im ungünstigsten Fall 3 Euro zurück. So gibt es Marketing ohne Limits, denn jede Aktion erhöht mittelfristig die Einnahmen weiter.

Flankiert wird das download-orientierte Push-Marketing mit incentivierten Kampagnen, bei denen der Spieler, der das beworbene Spiel herunterlädt, einen kleinen Preis im aktuellen Spiel erhält. Diese Downloads gelten als weniger interessant, weil viele die beworbenen Spiele nur wegen der kleinen Preise im laufenden Spiel runterladen, somit die Chance, dass sie tatsächlich das runtergeladene Spiel ausprobieren und dabei bleiben, deutlich geringer ausfällt.

Die dritte Säule sind vermeintlich neutrale Reviews und Berichte über Apps. Ich weiß, dass diese heute auch bei eigentlich als seriös angesehenen Portalen, Blogs und Zeitschriften gekauft werden. Manche von denen verfügen über eigene Apps, wo die Spiele dann vorgestellt werden. Der Verbraucher erfährt nicht, dass der Beitrag gekauft wurde, eine Kennzeichnung der gekauften Beiträge und App-Vorstellungen unterbleibt. In Deutschland ein klarer Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Und eine regelmäßige Irreführung des Lesers.

Als vierte Säule und Königsdisziplin gilt die Fernseh- und Youtubewerbung. Diese suggeriert im Film ein grafisch besonders aufwändiges Spielerlebnis, welches im Spiel nicht erfüllt wird. Fernsehwerbung wird begleitend geschaltet, wenn man die anderen Kanäle ausgeschöpft hat.

Entwicklung teuer

Die Entwicklung der psychologisch geschickten Online-Multiplayer-Strategiespiele ist sehr teuer. Da das Return-on-Investment aber stimmt, fließt viel Kapital in diese Spiele, welches dann für kleinere Entwickler nicht mehr zur Verfügung steht. Investoren werden sich immer für ein Spiel entscheiden, dass einen beständigen Zahlungsstrom garantiert. Das kann man ihnen auch nicht übel nehmen, denn es geht bei den Investitionen einzig und allein um die Mehrung des eingesetzten Kapitals.

Regulierung wird nötig werden

Wenn gleichzeitig das Münzspiel in Deutschland absolut stark reguliert ist und Glücksspiel gar eine Domäne des Staates ist, dann verstehe ich nicht, wie solche Spiele den Leuten zigtausende Euro aus der Tasche ziehen dürfen und dabei mit allen Tricks daran arbeiten können, jeden Tag neue Spieler zu zahlenden Opfern zu machen.

Einige der Tricks sind im Artikel Wie einige Spiele im App Store die Spieler betrügen und abzocken – und die Folgen davon auf App-kostenlos.de dokumentiert.

Ist der Spieler schuld?

Selber schuld? Ja, einerseits vielleicht, aber Spielsucht hat viele Gesichter und die App-Herausgeber wissen ganz genau, welche Knöpfe sie drücken müssen, damit jeder Zehnte, der das Spiel kostenlos auf sein Tablet oder Smartphone geladen hat,  viel Geld im Spiel investiert:

Zuerst ist alles schnell und unkompliziert, man baut auf, hat Erfolge, wird ständig gelobt und belohnt. Das macht Spaß und sorgt für eine Bindung. Doch dann werden die Daumenschrauben angesetzt und der Spaß wandelt sich in eine Haß-Liebe. Es wird schwerer, dauert länger, für häufiges Einloggen gibt es immernoch Belohnungen, nur dass diese im Verhältnis zu dem was man für den weiteren Aufbau braucht, immer kleiner werden.

Der In-App-Kauf als Retter aus der Misere?

Der In-App-Kauf als Retter, der das Problem lösen wird und den Spieler aufwertet. Doch tatsächlich passiert gerade das nicht, doch das versteht der Spieler oft zuerst nicht.

Er schafft zwar per In-App-Kauf den Aufstieg auf ein neues Level, aber dort warten schon wieder andere, die genau das auch erhofft hatten. Und so ist der Vorteil tatsächlich kein Vorteil. Denn die Gegner wachsen mit.

Und manche Gegner investieren tausende Euro, um zu den Stärksten auf einem der Spielserver zu gehören.

Ich habe gerade gestern ein Angebot bekommen, wo ein Spieler mir seinen weit ausgebauten und mächtigen Game of War Account für 200 US$ zum Kauf anbietet – er selbst hat 4.500 US$ in diesen Spielaccount investiert und ihn damit auch in die Top 10% der Spieler gebracht. Für solche Spieler gibt es dann die gefürchteten Server gegen Server-Kämpfe. Dort trifft man dann wieder auf andere Spieler, die noch viel mehr investiert haben und deshalb nochmal mächtiger sind.

Also kauft man nochmal und nochmal und nochmal. Ein Teil der Spieler merkt irgendwann, dass auch die Verheißungen der In-App-Käufe die Probleme nicht lösen und sie den Tricks der Herausgeber nur ins Netz gegangen ist.

Aus meinen Erfahrungen als täglicher App-Tester und Anlaufstelle für Mobile Games Spieler habe ich 10 Forderungen formuliert, mit deren Umsetzung die App Stores nutzerfreundlicher würden und die Gefahr der selbstzerstörerischen Spielsucht reduziert werden könnte:

10 Forderungen zur Regulierung der App-Stores

  1. Selbstverpflichtung der Spiele-Hersteller auf unlautere Methoden zu verzichten
  2. Deutsches Impressum und deutsche Nutzungsbedingungen bei allen Apps, die in Deutschland vertrieben werden
  3. Erreichbarkeit für Spieler in Deutschland muss sichergestellt sein. Mails und Anfragen sind in deutscher Sprache zu beantworten.
  4. Freigabe der OnlineMultiPlayer-Spiele nur für Erwachsene
  5. Limitierung der In-App-Käufe auf 99 Cent – 9,99 Euro
  6. Warnhinweise beim wiederholten In-App-Kauf
  7. Ausschluss aus dem App Store bei Betrug und bewussten Falschangaben zur Steigerung der In-App-Käufe (das gilt auch für Dating-Apps, wie Loovoo, Badoo und weitere, die mit gefakten Profilen unbedarfte Nutzer zum Zahlen bringen)
  8. Bessere AppStore Eingangskontrolle zur Reduzierung dieser gefährlichen Apps und Spiele
  9. Aufklärung über die Gefahren der Spielsucht an prominenter Stelle in den App Stores
  10. Umlage für Suchtprävention und -behandlung

Wenn diese Forderungen und eine Regulierung der App Stores umgesetzt werden, kann die Spielsucht bei den Handy-Spielen deutlich reduziert werden und gleichzeitig wird das Nutzer-Erlebnis verbessert. Zudem können unlautere Methoden besser verfolgt und bekämpft werden.

Ich bin gerne bereit, die Aussagen zu belegen und aktiv an einer Regulierung der App Stores mitzuarbeiten. Denn die aktuelle Entwicklung schadet. So genannte Premium-Spiele, bei denen man nur einmal beim Download bis zu 5 Euro zahlt und diese dann zeitlich unbegrenzt und ohne Werbung und In-App-Käufe spielen kann, werden immer mehr verdrängt.

Und wer heute in die Entwicklung eines Mobile Games investiert, wird vom möglichen großen Geld so geblendet, dass er bestehende „Erfolgs-Konzepte“ kopieren wird, was zu einer weiteren Zunahme dieser Art von Apps führen wird.

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